«Wir kriegen Sie schon schwanger!»
Barbara Burger beschreibt in «Kinder machen» Trends und absurde Auswüchse der Reproduktionsmedizin, bleibt in der Wertung aber wohltuend offen.
Von Andrea Roedig
Der Mensch ist ein exibles Tier, er gewöhnt sich mit der Zeit an alles. Im Guten wie im Bösen sind wir bereit, nach einer Weile für normal zu halten, was zuvor noch als absurd erschien: Rauchverbote und Fitnessapps, Elektroautos, Homoehe oder die Art und Weise, wie man Kinder macht. «Shifting baselines» nennt sich dieser psychische Mechanismus, mit dem wir Kriterien der Beurteilung beständig ans Gege bene anpassen.
Triebfeder «Kundenwunsch»
Barbara Burgers Dokumentar lm «Kinder machen» handelt von «shifting baselines», auch wenn der Begriff nicht fällt. Die Regisseurin zeigt darin eindrücklich, in welchem Treibsand die alte Frage steckt, was der Mensch sei und wie er entstehe. Burger ist an einigen Stellen als Stimme aus dem Off präsent; sie nimmt uns mit auf eine Reise zu Arztpraxen, Fachmessen und Kongressen, Ständeratsdebatten und in dunkel gehaltene Labors. «Hier sehe ich zum ersten Mal, wie eine Eizelle künstlich befruchtet wird», sagt die Filmemacherin, und wir sehen es auch durchs Mikroskop, wie die Mikropipette einige Spermien aus der Petrischale aufsaugt, dann durch die Haut einer Eizelle sticht und ein Spermium einfügt. Da entsteht – vielleicht – gerade ein Kind, das Verfahren nennt sich in trazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), und die Stimme aus dem Off fragt sich, wie viele künftige Menschen hier wohl im Raum versammelt sind. ...